Der Marquis VR ist ein Herzschrittmacher der Firma Medtronic. Die genaue Modellbezeichnung lautet 7230Cx. Genau genommen ist der Begriff Herzschrittmacher nicht richtig. Herzschrittmacher unterstützen das Herz nur. Der Marquis VR ist dagegen ein Kardioverter-Defibrillator. Er kann bei Herzkammerflimmern das Herz mit einem stärkeren Stromstoß wieder in den normalen Rhytmus bringen.
Medtronic zeigt in seinem CRM Product Performance Report Details des speziellen Kontaktsystems im oberen Bereich des Gehäuses. Dieses Kontaktsystem kann verschiedene Buchsen beinhalten. Dort werden die Leitungen angeschlossen, die zu den Elektroden am Herz führen. Klemmschrauben fixieren die Leitungen.
Das vorliegende Modell bietet drei Buchsen. Zwei Buchsen führen ein Potential, eine Buchse besitzt ein zusätzliches Schirmpotential. Im rechten Bild ist die Durchführung zu erkennen, von der aus vier Drähte die Potentiale zu den Buchsen führen.
Stopfen verdecken die Klemmschrauben der Buchsen.
Im Steckermodul befindet sich ein Blech, aus dem das Medtronic-Logo und die Zeichenfolge PKD1 ausgeschnitten ist. Dieses Blech ermöglicht es den Herzschrittmacher im Körper zu identifizieren. Im Röntgenbild setzt sich das Blech deutlich ab.
Das Gehäuse besteht aus zwei Titan-Halbschalen. Die untere Halbschalte greift in die obere Halbschale. Über den Umfang sind beide Elemente miteinander verschweißt.
Die untere Halbschale ist mit einer Folie ausgekleidet, die höchstwahrscheinlich aus Polyimid besteht. Im Inneren sticht zuerst ein vollflächiger Folien-Schaltungsträger ins Auge.
Der Folien-Schaltungsträger ist an mehreren Stellen mit den darunter liegenden Elementen verbunden. Dazu hat man Metallstreifen des Schaltungsträgers mit Metallquadern verschweißt. Manche Potentiale kontaktieren einen, andere zwei dieser Quader.
Man kann davon ausgehen, dass ein Herzschrittmacher kaum Temperaturschwankungen ausgesetzt ist. Trotzdem hat man Maßnahmen getroffen, damit unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten die Verbindungen nicht beschädigen. Mehrere Schleifen können eine Längenänderung des flexiblen Schaltungsträgers aufnehmen.
Fast über den kompletten Umfang isolieren Kunststoffelemente die Elektronik vom Gehäuse. Lediglich an der Oberseite befindet sich das hier zu sehende Metallplättchen, dass einen Kontakt zum Gehäuse herstellt und so für ein definiertes Potential sorgt.
Bei der Leitungsdurchführung zum Kontaktsystem findet sich ein Vorhalt für einen zweiten Durchführungsblock.
Der flexible Schaltungsträger wurde von der amerikanischen Firma Minco gefertigt. 0623 könnte ein Datecode sein.
Die Leitungen an der oberen und an der linken Kante sind nur kurze Streifen. Sie führen lediglich die Potentiale der darunter liegenden Platine zu direkt daneben liegenden Kontakten. Im unteren Bereich stellt der flexible Schaltungsträger dagegen selbst zwei Funktionen dar.
Zwei Potentiale kontaktieren eine Spule, die sich über den Umfang des unteren Bereichs erstreckt. Es handelt sich um die Antenne, über die man mit dem Herzschrittmacher kommunizieren kann. Die Spule dient nicht der Energieübertragung. Die integrierte Batterie lässt sich nicht aufladen.
Innerhalb der Antenne ist ein piezoelektrischer Wandler platziert. Für eine korrekte Funktion des Herzschrittmachers ist es wichtig körperliche Aktivitäten zu erkennen. Der piezoelektrische Wandler ist ein Pfad für diese Funktion, worüber sich Vibrationen innerhalb des Körpers erfassen lassen. Obwohl sich der Wandler direkt unter dem Gehäuse befindet, hat man darüber eine Kupferfläche aufgebracht, die anscheinend als zusätzliche Abschirmung dient.
Entfernt man den flexiblen Schaltungsträger, so kann man einen Blick auf die Schaltung des Herzschrittmachers werfen. Die Schaltungsteile werden von einem Kunststoffrahmen umfasst.
Auf der Rückseite isoliert eine Polyimidfolie die Elemente vom Gehäuse. Entfernt man die Folie, so zeigt sich, dass sich auch unter der Steuerungsplatine ein verhältnismäßig großes Bauteil befindet.
Das halbrunde Element sind zwei Elektrolytkondensatoren mit einer Kapazität von jeweils 200µF. Im Kontaktbereich sind die Kapazitäten in Serie geschaltet. Eine Polyimidfolie isoliert die beiden Kondensatoren gegeneinander. Im Medtronic CRM Product Performance Report 2024 findet sich der Hinweis, dass der Herzschrittmacher Impulse mit einer Energie von 30J abgeben kann. Geht man davon aus, dass der Kondensator dabei vollständig entladen wird, so müsste die Ladespannung mindestens 550V betragen. Auf der Seite https://thoracickey.com/8-the-implantable-cardioverter-defibrillator/ werden Spannungen von 800V und Spitzenströme von 20A als gängige Werte genannt.
Der Metallblock unterhalb der Steuerungsplatine enthält die Batterie. Je nachdem wie viele Impulse ausgegeben werden müssen soll die Lebensdauer bei 5 bis 10 Jahren liegen. Medtronics nutzt teilweise einzelne Zellen und teilweise Serienschaltungen aus zwei Zellen. Die Modellfamilie Marquis versorgt sich lediglich aus einer Zelle.
Der Medtronic CRM Product Performance Report 2004 verrät, dass es sich um eine Silber-Lithium-Vanadium Batterie handelt. Auf der Seite https://thoracickey.com/8-the-implantable-cardioverter-defibrillator/ sind das obige Diagramm und weitere Informationen zu finden. Demnach müssen diese Batterien für mehrere Sekunden Spitzenströme bis zu 3A liefern können. Gleichzeitig soll die Energiedichte hoch und die Selbstentladung bei Körpertemperatur niedrig sein. Silber-Lithium-Vanadium Batterien erfüllen diese Anforderungen. Ein weiterer Vorteil ist die verhältnismäßig steile Entladekurve, die es ermöglicht den Energieinhalt über die Batteriespannung zu bestimmen. Silber-Lithium-Vanadium-Batterien wären theoretisch in einem gewissen Rahmen wiederaufladbar. Praktisch werden sie meist als Primärzellen betrachtet, da sich beim Laden sehr schnell problematische Lithiumdendriten bilden.
Die Batterie ist mit der Steuerungsplatine verklebt. Eine Polyimidfolie garantiert die elektrische Isolation zwischen den beiden Elemente.
Die Unterseite der Platine trägt einen weißen Kunststoffrahmen, der mit einem schwarzen Vergussmaterial ausgegossen wurde. Wie sich noch zeigen wird, befinden sich auf dieser Seite einige Dies, die über Bonddrähte mit der Platine verbunden sind. Die Vergussmasse schützt Schaltkreise und Bonddrähte.
Die Oberseite der Platine trägt einige unterschiedlich große integrierte Schaltkreise im Flipchip-Gehäuse. Unter die Gehäuse wurde ein Underfiller eingebracht, der für mehr Robustheit gegenüber mechanischen Belastungen sorgt. Ein Großteil der anderen Bauteile sind Tantal- und Keramikkondensatoren. Der weiße Block in der Mitte der Platine scheint ein Quarz-Resonator zu sein.
An der oberen linken Ecke der Platine befindet sich ein Transformator. Man kann davon ausgehen, dass darüber die hohe Spannung erzeugt wird, die die großen Kondensatoren auflädt. Es wurde eine interessante Aufbau- und Verbindungstechnik gewählt. Der Toroidkern ist in ein offenes Metallgehäuse eingeklebt, das einen Platinenstreifen fixiert. Die Windungen sind mit dieser Platine verbunden. Schwarze Vergussmasse schützt die Kontaktbereiche. Die Platine ist letztlich über kleine Kontakte mit der großen Platine verbunden.
Auf der Platine findet sich ein Beschleunigungssensor dessen Aufbau dem SCA610-C28H1A ähnelt. Seitlich betrachtet kann man die Dreiteilung und die Kontakte zur Sensormasse erkennen. Der Beschleunigungssensor dient mit dem Piezo-Schallwandler dazu die körperliche Aktivität zu überwachen.
Der Aufbau der Platine lässt sich nicht mit letzter Sicherheit bestimmen. Nicht alle Kupferlagen besitzen Strukturen, die sich bis zur Kante erstrecken. Es scheint sich um eine achtlagige Platine zu handeln.
Die Platine wurde letztlich thermisch umgesetzt. Unter dem schwarzen Verguss finden sich unter anderem viele einfachere Dies, die offenbar als bare Die auf die Platine platziert wurden. Im obigen Bild sind alle Schaltkreise aufgereiht, die sich in den Überresten der Platine finden ließen.
Das größte Die ist in vier Bereiche aufgeteilt. Links befinden sich zwei unterschiedliche Speicherflächen. Rechts oben ist eine Logik integriert. Die genaue Funktion der Schaltung in der rechten unteren Ecke bleibt offen.
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Die Beschriftung zeigt, dass es sich um einen Medtronic ASIC handelt, der im Jahr 2000 entwickelt wurde. D263 ist die Bezeichnung des ASICs. Die Masken wurden offenbar einige Male überarbeitet. Rechts ist die integrierte Software dokumentiert. Das ist möglich, da die Software tatsächlich über die Masken in den Speicher geschrieben wurde.
Im Logikbereich ist gut zu erkennen, dass der ASIC offenbar mit drei Metalllagen aufgebaut wurde. Die breiten, horizontal verlaufenden Leitungen stellen die Versorgung der Logik dar. Dazwischen befinden sich die Standardzellen, aus denen mit der passenden Verdrahtung die gewünschten Logikfunktionen aufgebaut wurden.
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Die Fläche im linken oberen Bereich scheint ein SRAM zu sein. Die horizontal verlaufenden Steuerleitungen halten einen überraschend großen Abstand. Vielleicht handelt es sich um spezielle SRAM-Zellen.
Der Speicher im unteren linken Bereich ist ein Masken-ROM. Die gespeicherten Daten sind deutlich zu erkennen. Die Verteilung der Vias legt fest, ob eine Zelle eine 1 oder eine 0 ausgibt.
Der rechte untere Block scheint analoge Funktionen zu enthalten.
In der unteren rechten Ecke hat man offenbar einen Digital-Analog-Wandler integriert. An der rechten Kante steuert eine Logikschaltung eine Reihe von 127 Widerstände. Die vielen Widerstände links sind unterschiedlich verschaltet. An der Oberseite kann man unterschiedlich große Transistoren erkennen, wie sie in derartigen Analogschaltungen üblich sind.
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Das zweitgrößte Die besitzt links einen Logikblock. Der Rest der Schaltung stellt analoge Funktionen dar. Dort sind sehr viele kleine Kondensatoren integriert. Offenbar arbeiten einige Schaltungsteile mit geschalteten Kondensatoren.
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Auch diese Schaltung wurde von Medtronic entwickelt.
Die Standardzellen der Logikschaltung sind gut zu erkennen.
Das drittgrößte Die besitzt einen sehr ungewöhnlichen Aufbau. Die Versorgung wird über einen breiten Rahmen verteilt. Im Inneren sind deutlich vier Speicherflächen zu erkennen. Die dunkleren Flächen, die den Raum zwischen Versorgungsrahmen und Speicherflächen auffüllen, scheinen lediglich Dummystrukturen zu sein.
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Auch dieser Speicher ist eine Eigenentwicklung von Medtronic.
Die Speicherzellen selbst sind nicht zu erkennen. Die engen Abstände der Steuerleitungen geben aber einen Eindruck wie klein die Zellen sind.
An zwei Stellen befinden sich mehrere Fenster, die es ermöglichen Leitungen zu unterbrechen. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um einen DRAM-Speicher und die Leitungen ermöglichen es defekte Zellen zu deaktivieren und mit Reservezellen zu belegen.
Das hier zu sehende Die enthält hauptsächlich Logikschaltungen und Leistungstransistoren.
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Auch hier handelt es sich um einen ASIC von Medtornic.
Die Logikschaltung scheint oberflächlich betrachtet nicht ungewöhnlich. Zwischen den Zeilen, die die Gatter enthalten, befinden sich aber immer wieder größere Flächen, deren Zweck unklar bleibt.
Der hier abgebildete Schaltkreis besitzt eine ganze Reihe von Ausgängen mit großen Leistungstransistoren.
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Auch diesen Schaltkreis hat Metronic entworfen.
Auf diesem Die scheinen mehrere gleiche Treiberstufen integriert worden zu sein. An der unteren Kante bietet der Baustein vier große Widerstände. Und es handelt sich wieder um einen ASIC von Medtronic.
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Auf diesem Die, ein weitere Medtronic-Design, ist die Struktur im linken Bereich besonders markant. Dort befindet sich eine Spule. In der Mitte hat man ein Quadrat integriert, das ein Hall-Sensor zu sein scheint. Die Potentiale der Spule werden direkt auf Bondpads geführt. Das spricht dafür, dass die Spule nicht nur zum Test des Hall-Sensors integriert wurde. Es könnte sich um eine Art galvanische Isolation handeln, vielleicht für die Steuersignale, die über die Antenne den Herzschrittmacher erreichen.
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Die einzige integrierte Schaltung, die nicht von Medtronic entwickelt wurde, ist dieser Speicherbaustein von Microchip. Es handelt sich wohl um einen EEPROM.
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Der hier abgebildete Medtronic ASIC ist verhältnismäßig einfach aufgebaut.
Auf diesem Die, wieder von Medtronic entwickelt, sind vier Kanäle integriert, die über antiparallele Dioden zu einem fünften Potential führen. Die Dioden sind Transistoren mit gebrückten Basis-Kollektor-Strecken. Sie bieten daher nur geringe Sperrspannungen. Vielleicht wurden aus diesem Grund immer zwei Dioden in Serie geschaltet.
Auf diesem Medtronic-ASIC hat man vier große MOSFETs integriert.
Hier ist einer der Leistungstransistoren zu sehen. Es lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob es sich um einen Bipolartransistor oder um einen MOSFET handelt.
Besonders interessant ist der Unterbau des Transistors. Die Unterkonstruktion erinnert an eine MESA-Struktur. Warum diese Struktur unter dem eigentlichen Transistor integriert wurde bleibt unklar.
Dieser große Leistungs-MOSFET bietet eine hohe Sperrspannung. das kann man aus der großen Rahmenstruktur herauslesen, die eine Potentialsteuerung darstellt. In den Ecken stehen folgende Zeichenfolgen: IXYS IXTS IX4T 1990. Es handelt sich offensichtlich um ein Produkt von IXYS.
Auch dieser MOSFET, der in den Überresten der Platine fünfmal zu finden war, scheint eine hohe Sperrspannung zu bieten. Er stammt von International Rectifier: "I.R. CORP."
Und auch der hier zu sehende MOSFET scheint ein Hochspannungs-MOSFET zu sein. Die Polymidschicht lässt sich nur schwer entfernen. Darunter finden sich die Zeichenfolgen "IXYS IX1M 1999".
Dieser Transistor wurde mindestens viermal eingesetzt. Damit sind es insgesamt mindestens zehn Hochspannungstransistoren. Das ist eine erstaunlich hohe Zahl. Da die Ausgabe der Impulse extrem kritisch ist, wird der Ausgang sicherlich mit mindestens zwei Transistoren in Serie geschaltet. Wahrscheinlich nutzt man mindestens zwei weitere Transistoren als Kurzschlussschalter, um den Ausgang in der inaktiven Zeit sicher kurzzuschließen. Nachdem keine offensichtlichen Hochspannungsdioden zu finden waren, kann es gut sein, dass Transistoren auch für eine aktive Gleichrichtung der erzeugten Hochspannung herangezogen wurden.
Einer der MOSFETs ist darauf ausgelegt deutlich höhere Ströme zu tragen. Das Die ist sehr groß und es wird sechsmal kontaktiert. Wahrscheinlich handelt es sich um den primären Leistungsschalter der Hochspannungserzeugung.
Der hier zu sehende Transistor wurde mindestens dreimal eingesetzt. Wahrscheinlich handelt es sich auch hier um einen MOSFET. Die dicke Polyimidschicht lässt sich leider nicht entfernen.
In den Überresten der Platine finden sich einige unterschiedliche Dioden oder Zenerdioden. Wie bereits beschrieben, sind darunter keine offensichtlichen Hochspannungsdioden.
Selbst einige Widerstände hat man bei Medtronic auf Silizium umgesetzt.
Auf diesem Die sind viele kleine Widerstandsstreifen integriert. Es handelt sich anscheinend um ein universelleres Widerstandsnetzwerk. Je nachdem wie man die Metalllage auslegt, ergeben sich unterschiedliche Widerstandswerte.