Das FS300R12OE4 ist ein mit IGBTs aufgebautes B6-Brücken-Modul von Infineon. Es wird über 8 Anschraubpunkte auf einem Kühlkörper befestigt. Das Modul bietet 12 Schraubkontakte im Leistungspfad und 17 Pressfit-Kontakte zur Ansteuerung. Es ist darauf ausgelegt, dass die Ansteuerplatine direkt über dem Modul platziert wird. Neben den großen Anschraubpunkten sind dafür Hülsen ausgeformt, mit denen die Ansteuerplatine verschraubt werden kann.
Derartige Module werden genutzt, um leistungsstarke Synchron- und Asynchronmotoren anzusteuern. Auch Photovoltaik- und USV-Wechselrichter sind typische Anwendungsgebiete.
Die Bauform dieses Moduls führt Infineon als EconoPACK. Die Bezeichnung FS300R12OE4 beinhaltet einige Spezifikationen, die das Datenblatt erklärt:
FS ist das Kürzel für
die Sixpack-Konfiguration.
300 steht für den maximalen, dauerhaften
Kollektorstrom von 300A.
R steht für reverse conducting.
12 spezifiziert
eine maximale Sperrspannung von 1200V.
O steht für das mechanische Design.
E4 zeigt,
dass hier schnelle Trench-IGBTs mit geringer Sättigungsspannung eingesetzt
wurden.
Der Dot-Matrix-Code enthält die Zahlenfolge
00009 034011 80690664 1403.
00009 ist die Seriennummer des Moduls, die auch
in der Mitte abgebildet ist.
034011 beschreibt das Datenblatt als "Module
Material Number".
80690664 ist die "Production Order Number".
1403 ist der
Datecode, der sich auch in der Mitte findet.
Während das Modul bis zu 1200V sperrt, beträgt die Isolationsprüfspannung 2,5kV. Der maximale Kollektorstrom von 300A gilt bei einer Gehäusetemperatur von 100°C. Schafft man es das Gehäuse auf 25°C zu halten, so sind 460A möglich. Dabei dürfen bis zu 1650W Verlustleistung anfallen. Der Wärmewiderstand zwischen einem einzelnen IGBT und dem Gehäuse beträgt maximal 0,091K/W. Das ist vor allem bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Halbleiter elektrisch von der Kühlfläche isoliert sind. Für 1ms darf der Kollektorstrom auf 600A ansteigen. Den Kurzschlussstrom begrenzt das Modul selbst auf 1200A (800V). Bei einer Junction-Temperatur von 150°C und einem Kollektorstrom von 300A beträgt die Sättigungsspannung typischerweise 2,05V. Wenn die IGBTs 1200V sperren, so kann sich dabei ein Reststrom von bis zu 3mA einstellen.
Die Gate-Emitter-Spannung darf bis zu +/-20V betragen. Bei 15V beträgt die Gateladung 2,25µC. Das Datenblatt erwähnt einen integrierten Gatewiderstand von 2,5Ω. Die parasitären Kapazitäten sind bei einem derart großen Modul nicht unerheblich. Die Eingangskapazität wird mit 18,5nF angegeben. Die Rückwirkungskapazität beträgt 1,05nF.
Die Freilaufdioden bieten die gleichen Strom- und Spannungs-Kennwerte wie die IGBTs. Bei 300A und 25°C beträgt die Flussspannung typischerweise 1,65V, maximal 2,10V. Die Sperrverzögerungsladung liegt bei typischerweise 28,5µC.
Das Datenblatt der B6-Brücke zeigt die Verschaltung des Moduls (Quelle: Infineon Technologies AG). Sechs IGBTs sind als B6-Brücke verschaltet. Parallel zu den Transistoren befinden sich Freilaufdioden. Ein NTC ermöglicht eine Temperaturmessung.
Neben den unbedingt notwendigen Kontakten besitzt das Modul einige Hilfskontakte. Jeder Gate-Kontakt besitzt einen sogenannten Hilfsemitter. Mit diesem Hilfsemitter kann man eine saubere Gate-Emitter-Spannung einstellen, die nur wenig vom Laststrom verfälscht wird.
Weitere Hilfskontakte befinden sich an den Kollektoren der oberen Transistoren. Da dort das positive Versorgungspotential anliegt, kann man darüber ohne großen Aufwand zum Beispiel die Treiberschaltung versorgen. Eine für das Modul selbst wichtige Funktion, die auf den Kollektorkontakt zurückgreift, ist die sogenannte Desaturation Detection. Dabei wird der Spannungsabfall über dem IGBT überwacht. Im Fall eines problematisch hohen Stromflusses verlässt der Transistor den Sättigungsbereich und der Spannungsabfall steigt an. Bei einem solchen Spannungsanstieg kann man den Transistor abschalten bevor Schäden auftreten. Die Kollektoren der unteren Transistoren sind über die Hilfsemitter der oberen Transistoren erreichbar.
Auf der Rückseite des Moduls befindet sich eine massive Kühlplatte. Mittlerweile werden auch oft direktgekühlte Module eingesetzt. Dabei befinden sich auf der Rückseite sogenannte Pin Fins, kurze, dicht gepackte Metallstifte, die in einen Kühlkanal ragen und vom Kühlmedium umspült werden. Die große Oberfläche und der direkte Kontakt zum Kühlmedium verbessern die Entwärmung deutlich.
Das Modul lässt sich sehr einfach öffnen. Im oberen und im unteren Bereich befinden sich jeweils vier Haken. Biegt man diese etwas zurück, kann man den verhältnismäßig dünnen Deckel heraushebeln.
Das Gehäuse besteht aus PBT GF30, Polybutylenterephthalat mit einem Glasfaseranteil von 30%. PBT ist dem PET ähnlich und eignet sich sehr gut für Spritzguss-Anwendungen.
Hebt man den Deckel des Moduls ab, so wird sofort der Aufbau des Moduls sichtbar.
Ein Silikon-Gel-Verguss schützt die aktiven Elemente.
Die drei Phasen sind deutlich zu erkennen. Über die zwei unteren Anschraubpunkte wird jede Phase einzeln versorgt. Die zwei oberen Schraubkontakte stellen den Ausgang einer jeden Push-Pull-Stufe dar.
Links einer jeden Phase erfolgt die Ansteuerung der Lowside-Transistoren. Rechts erfolgt die Ansteuerung der Highside-Transistoren. Außerdem sind bei jeder Phase DC-, DC+ und AC zusätzlich über Pressfit-Kontakte herausgeführt, um die bereits beschriebenen Sonderfunktionen darstellen zu können. An der rechten Phase befinden sich die Kontakte des NTCs, über den die Temperaturmessung erfolgt.
Um die Anschraubpunkte mit den DBCs zu verbinden, wurden die Stromschienen aufgeteilt und großflächig mit der Kupferauflage verschweißt. Als DBC (Direct Bonded Copper) wird der Keramikträger bezeichnet, der die hohen Ströme leitet und auf dem sich die Halbleiter befinden. Das Datenblatt garantiert einen Zuleitungswiderstand von typischerweise 1,1mΩ.
Der NTC befindet sich in einem MELF-Gehäuse. Die Temperaturmessung erfolgt nur bei einer Phase, die NTCs sind aber bei jeder Phase vorhanden. So kann jedes DBC gleich aufgebaut werden. Die Temperaturmessung dient lediglich dazu die Temperatur des Moduls ungefähr zu erfassen, lokale Hot-Spots können damit nicht erkannt werden.
Jede Phase setzt sich zusammen aus einem Lowside-Block (links) und einem Highside-Block (rechts). Lowside und Highside bestehen jeweils aus drei IGBT-Dies und drei Dioden-Dies.
Die Anordnung der Bauteile muss viele Anforderungen erfüllen. Ein wichtiger Punkt ist die Streuinduktivität, die das Datenblatt mit typischerweise 20nH angibt. Eine möglichst niedrige Induktivität reduziert die Schaltverluste. Unter anderem aus diesem Grund ist der Zwischenkreiskondensator meist direkt und massiv an das Modul angebunden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist eine gleichmäßige Stromverteilung über die einzelnen Transistoren und bei transienten Vorgängen auch eine gleichmäßige Spannungsverteilung. Des Weiteren müssen die Halbleiter einigermaßen gleichmäßig entwärmt werden.
Hier sind gut die zwei DBC-Module zu erkennen. Das isolierende Substrat besteht aus einer Aluminiumoxid-Keramik.
Jeweils sechs Bonddrähte verbinden die Emitter der IGBTs mit den Freilaufdioden und dem Ausgang beziehungsweise DC-.
Die Freilaufdioden sind mit zusätzlichen Bonddrähten auf direktem Weg miteinander verbunden. Diese Verbindung reduziert die Auswirkungen der parasitären Induktivitäten, die zu einer unsymmetrischen Spannungsbelastung zwischen den drei Freilaufdioden führen kann.
Anders als im Lowside-Block, befinden sich im hier zu sehenden Highside-Block zusätzliche Bonddrähte oberhalb der Freilaufdioden. Man kann nur spekulieren, dass darüber die Stromverteilung optimiert wurde.
Um den zusätzlichen DC+ Kontakt sauber realisieren zu können, wurde beim Highside-Modul eine zusätzliche Kupferinsel integriert, auf die der Bonddraht zwischendurch aufsetzt.
Die Gate-Potentiale der IGBTs werden in der Mitte des Dies kontaktiert und über einen Kupferstreifen zusammengeführt.
Würde das Modul keine Hilfsemitter bieten, so müsste der Rückstrom der Gateansteuerung über den Lastpfads fließen (oben). Das hat mehrere Nachteile. Den Lastpfad zu kontaktieren ist aus Sicht der Aufbau- und Verbindungstechnik meist komplexer. Dazu kommt, dass der Laststrom und der damit einhergehende Spannungsabfall die Gate-Emitter-Spannung beeinflusst. Außerdem erhöht der Umweg über den Lastpfad die Impedanz in der Gateansteuerung.
Durch den Einsatz des Hilfsemitters (unten) reduziert sich Ausdehnung des Gate-Stromkreises erheblich. Der Pressfit-Pin des Hilfsemitters erreicht die Gateansteuerung direkt neben dem Pin des Gate-Potentials.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Hilfsemitter-Pin nicht direkt mit dem davor liegenden Emitter-Potential verbunden ist. Stattdessen wird das Potential ein erhebliches Stück nach links geführt. Diese Maßnahme sorgt für ähnlich lange Zuleitungen bei allen drei parallel geschalteten IGBTs. Derartige Details sind meist notwendig, damit die Transistoren ausreichend synchron schalten.
Im Highside-Modul ist der Gate-Stromkreis etwas größer.
Der Durchmesser des verwendeten Bonddrahts beträgt 400µm.
Infineon zeigt in der Application Note AN2018-14 den Aufbau der hier verwendeten IGBT4 Generation (Quelle: Infineon Technologies AG). Diese sogenannten Trench Field Stop IGBTs besitzen eine Gate-Elektrode, die nicht nur auf der Oberfläche aufliegt, sondern in einem Graben verläuft und dort den MOSFET-Anteil des IGBTs effizienter steuert. Außerdem wurde im Vergleich zu den ersten Generationen der Kollektor anders aufgebaut, so dass der Transistor dünner ausgeführt werden konnte. Das reduzierte die Sättigungsspannung. In der mittlerweile verfügbaren Generation IGBT7 wurden die Strukturen weiter optimiert.
Das obige detaillierte Bild des Aufbaus findet sich in der Infineon-Präsentation "分立IGBT技术与特性总览“英飞凌杯”第二届嵌入式处理器和功率电子设计应用大奖赛" (Quelle: Infineon Technologies AG). Die Gräben, die die Gate-Elektroden darstellen sind deutlich zu erkennen. Die Beschriftung des rechten Bildes scheint in der Präsentation allerdings etwas nach rechts gerutscht zu sein.
Die Abmessungen jedes IGBT-Dies betragen 10,3mm x 9,4mm. Der Transistor ist in vier Bereiche unterteilt, die alle dreimal kontaktiert wurden. In der Mitte befindet sich der Gate-Kontakt.
Der äußere Bereich des Dies wird durch einen dünnen Verguss geschützt, vermutlich ein Polyimid. In der Metallfläche sind deutlich die Emitterkontakte zu erkennen. Die Rahmenstruktur dient der Feldsteuerung. Dort werden Dotierungen so eingebracht, dass sich ein möglichst homogenes elektrisches Feld ergibt. Lokale hohe Feldstärken könnten ansonsten die Strukturen schädigen und langfristig zum Ausfall führen.
Der Gate-Kontakt des IGBTs befindet sich in der Mitte des Dies. Obwohl im Datenblatt des Moduls ein Gate-Widerstand von 2,5Ω spezifiziert ist, war bisher kein Widerstand zu erkennen. Mit diesem Hintergrund scheint es recht wahrscheinlich, dass die drei Streifen links des Bondpads diesen Widerstand darstellen. Ein gewisser Mindestwiderstand ist notwendig, um Schwingungsneigungen zu unterbinden. Die Gefahr ist, dass beim schnellen Schalten von hohen Strömen hochfrequente Schwingungen auftreten, die durch die Rückwirkungskapazität den Transistor wieder aufsteuern.
Passend zur obigen Interpretation der drei Streifen links des Bondpads scheint das Bondpad von der kreuzförmigen Struktur, die das Potential verteilt, isoliert zu sein. Rechts des Bondpads ist ein Testpad integriert, das anscheinend an zwei Stellen kontaktiert wurde. Darüber konnte dann während der Fertigung das Gate-Potential direkt eingeprägt werden.
In der kreuzförmigen Verteilung des Gate-Potentials sind einige Durchkontaktierungen zu erkennen. Darüber wird das Gate-Potential in die tiefer liegende Polysilizium-Schicht übertragen, die es dann letztlich den einzelnen IGBT-Zellen zuführt.
Die Leitungen, die das Gatepotential verteilen, führen nicht ganz bis zum Rand. Kurz vor der Rahmenstruktur sind die vier Emitterflächen miteinander verbunden.
In der Mitte der Kanten zeigt sich, dass die zwei innersten Ringe anscheinend nicht nur eine einfache Potentialsteuerung realisieren. Die Konturen lassen vermuten, dass der zweite Ring mit dem Emitter-Potential verbunden ist.
Das Die ist relativ dünn, damit es einen möglichst geringen Widerstand darstellt und sich gut entwärmen lässt.
Die Kantenlänge der eingesetzten Dioden beträgt 7,3mm.
Auch hier ist der Rand mit einer Polyimidschicht geschützt und es sind konzentrische Rahmenstrukturen zu erkennen.
Laut Datenblatt handelt es sich bei den Dioden um sogenannte "Emitter Controlled Diodes". Man darf diese Dioden nicht mit den geschalteten Dioden verwechseln, die zum Beispiel im IEEE Artikel "Power Diodes with Active Control of Emitter Efficiency" mit obigem Aufbau beschrieben werden und den gleichen Namen tragen. Dort sind eine normale Diode und ein Bipolartransistor parallelgeschaltet. Der Bipolartransistor wird über eine MOSFET-Struktur gesteuert, benötigt also tatsächlich eine Ansteuerung.
Der Begriff "Emitter Controlled Diode" wird gleichzeitig für Dioden verwendet, die lediglich eine etwas optimierte Verteilung der Dotierung aufweisen und so sauberer schalten.